Eigentlich lief die Vorbereitung doch optimal. Jedenfalls wenn es darum ging, die himmhochjauchzende Euphorie des Sommers ungespitzt in den Boden zu rammen.
Was wurde nicht alles gejubelt und geflauscht, in diesem unendlich scheinenden Sommer. Ein Neuzugang besser als der Vorige; es lief fast zu glatt. Und am Ende stand da ein veritables Team auf dem Papier. Die Vorfreude kannte keine Grenzen. Naja jedenfalls bis zum ersten Vorbereitungsspiel.
Mitten in das Wir-warten-aufs-Christkind-Kribbeln vor dem ersten Auftritt der Wild Wings 2014 platzte eine ordentliche Bombe: Ty Wishart löst auf eigenen Wunsch und aus privaten Gründen seinen Vertrag mit sofortiger Wirkung auf. Der einzige Verteidiger mit Talent, Konstanz und Potenzial sagt mir nichts, dir nichts „Sayonara“ und entschwebt gen Nordamerika. Rums. Der hat gesessen.
Über das was in den nächsten Wochen folgte, hüllen wir besser den Mantel des Schweigens. Der geneigte Leser dürfte höchstwahrscheinlich im Bilde sein.
Nun startet morgen also die zweite DEL-Saison der „neuen“ Wild Wings. Und die Rahmenbedingungen könnten kaum trostloser sein. Ein verunsichertes Team, ein Trainer, an dessen Stuhl schon vor dem ersten Spiel gehörig gesägt wird, massenweise Gerüchte und zu allem Überfluss kommt zum Rundenauftakt auch noch ein bockstarker Gegner. Das sind fast Schalker Verhältnisse.
Selbst wenn man nicht spekulieren möchte, man kommt schier nicht drum herum. Sie machen es den Kritikern momentan auch zu einfach.
Nehmen wir zum Beispiel die ganzen Verletzten – wo kommen die denn her? Haben die Spieler beim Sommertraining geschlampt? Oder war das Training der letzten Wochen falsch dosiert?
Wie sieht es mit dem viel beschworenen Charakter der Mannschaft aus?
„Individuell sind wir sicherlich stärker besetzt“, so ein Spieler im Interview, „wir müssen aber beweisen, dass wir auch als Mannschaft funktionieren“
Man muss nicht großartig zwischen den Zeilen lesen, um bei dieser Aussage (so sie denn wirklich so gemacht wurde) Bauchschmerzen zu bekommen.
Aber halten wir uns an die Fakten. Und da ich weiß, dass einige von euch nicht so schnell lesen können, habe ich diese Zeilen extra langsam geschrieben:
* Um Platz 10 zu erreichen, waren in den letzten Jahren immer 70 bis 75 Punkte nötig. Bei 52 Spielen heißt das etwa 1,5 Punkte pro Spiel. Das wiederum bedeutet, dass jedes Wochenende ein Sieg her muss. Schluck.
* Um bei 14 Teams Platz 10 zu belegen, muss man logischerweise 4 Mannschaften hinter sich lassen. Wer könnte das sein? Augsburg und Straubing haben in der Vorbereitung bewiesen, dass sie keineswegs Kanonenfutter sind. Düsseldorf hat einen höheren Etat als die Wild Wings. Iserlohn? Ein Team, mit dem keiner rechnet? Schluckschluck.
Leider ist bei einem Großteil der Zuschauer die Erwartungshaltung derart hoch, dass ein Nicht-Erreichen der Pre-Playoffs als völliges und desaströses Scheitern gesehen wird. Das macht die Sache nicht einfacher. Denn machen wir uns nichts vor: ein Teil der Unruhe wurde auch von außen in das Team getragen.
Realistischerweise muss man deshalb sagen: Platz 10 ist machbar, aber nur im alleroptimalsten Fall. Und da man „optimal“ eigentlich nicht steigern kann, brauch es schon mehr als eine „ordentliche“ Saison dafür.
Was in meinen Augen auch gar nicht schlimm ist: die Wild Wings sind nunmal kein Spitzenteam in der DEL. Das sollten auch diejenigen Zuschauer begreifen, die in Liga zwei sozialisiert wurden. Jedes einzelne Pünktchen muss hart erarbeitet werden. Und die Konkurrenz ist finanziell nunmal größtenteils besser aufgestellt. Punkt. Und Tradition allein schießt keine Tore.
Auch wenn das zweite Jahr ist immer das Schwerste ist: freuen wir uns, dass wir Spiele gegen Berlin, Köln und Hamburg sehen können, anstatt uns mit Bad Tölz oder Crimmitschau rumquälen zu müssen. Allen kann man’s sowieso nie recht machen und gemotzt wird sowieso immer. Ich freu mich jedenfalls.