Gestern fand es also statt. Das 3. DEL Wintergame. Und das Erste mit baden-württembergischer Beteiligung. Auf der Speisekarte dieses bitterkalten Samstags war also Geflügel angesagt. Der Chefkoch kredenzte Schwenninger Wild Wings gegen Adler Mannheim.
Das Ereignis, neudeutsch gern Event genannt, fand in der Sinsheimer Wirsol Arena statt. Wobei es natürlich nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dort, wo normalerweise die Profifußballer der TSG Hoffenheim in der Fußballbundesliga dem runden Leder nachjagen, ein Eishockeyspiel unter dem Motto „The good old hockey game“ auszutragen. Schließlich gilt die TSG sozusagen als Brutstätte aller Retortenvereine und allen Künstlichen. Umso mehr als die Szenerie rund um die eigentliche Eisfläche – ein stilisierter Eisweiher- aussah, als wäre sie von der 5. Klasse der Charly-Altmann-Realschule in Albstadt-Tailfingen im Kunstunterricht von Frau Rotzwein-Nutzzopf entworfen und gebastelt worden. Ein schöner und sympathischer Kontrapunkt gegen all die allgemein wütende Über-Perfektionierung solcher Events. So es denn wirklich so gemeint war.
Ansonsten gibt es an der Austragungsstätte natürlich nicht viel zu mäkeln. Infrastruktur und Komfort sind tiptop, alles war gut organisiert, das Ordnungspersonal freundlich und hilfsbereit und das Bier war kalt. Was bei Dauerfrost von -5 Grad aber auch keine allzu große Herausforderung war.
Nachdem sich die Ränge der beiden Fankurven bereits ab 13:00 Uhr gut gefüllt hatten begann das lange Frieren. Beziehungsweise das Warten auf den ersten Programmpunkt, der ja strenggenommen bereits der Zweite war. Das Spiel der beiden DNL Nachwuchsmannschaften von Mannheim und Bad Tölz ging recht spurlos an den meisten Besuchern vorbei. Die meisten Zuschauer waren zu diesem Zeitpunkt mit ausgiebigen Begrüßungsritualen beschäftigt. Denn wenn sich rund 8000 Eishockeyverrückte aus der gesamten Region Bodensee-Schwarzwald-Alb auf so engem Raum ballen findet praktisch jeder unzählige alte und längst verschollen geglaubte Bekannte wieder. Mitten hinein in dieses pittoreske Stillleben stürmten dann Punkt 15:30 Uhr die Guano Apes die Bühne und – das Desaster nahm seinen Lauf. Ein Brei aus undefinierbarem Geknarze drang aus den eigentlich imposanten Boxentürmen. Leise. Dumpf und nur mit Mühe als „Open your eyes“ zu identifizieren. Eine herbe Enttäuschung. Zumal die Göttinger Band bereits nach 4 oder 5 Liedern wieder verschwanden. Schade eigentlich. Ich jedenfalls hatte mich auf die Jungs bzw. Mädels gefreut und gerne mehr davon gehört.
Doch Schwamm drüber. Die Dämmerung setzte ein, die Ränge füllten sich und die beiden Teams kamen unter den pathetischen Klängen des Bad Rappenauer Kurorchesters auf das Eis. Anschließend trällerte noch überraschend der augenscheinlich runderneuerte Peter Schilling seinen unverwüstlichen Ohrwurm „Major Tom“ – leider ebenfalls in suboptimaler Tonqualität bevor es endlich losging.
Das Spiel ist schnell erzählt. Bis zur 50. Minute war es ein schönes, faires und spannendes Spiel, wie man es sich für diesen Tag gewünscht hatte. Es ging hoch und runter und die Tore fielen abwechselnd links und rechts. Bis, ja bis, die rechte Schlittschuhkufe von Jiri Hunkes zum Spielverderber wurde und einen harmlosen Flatterpuck zum vorentscheidenden 5:3 für die Adler ins eigene Netz abfälschte. Über die restlichen Minuten hüllen wir den Mantel des Schweigens.
Was den Tag zu etwas ganz Besonderem machte, war das Bewusstsein seiner Einmaligkeit. Das ein -bei allem Respekt- Dorfclub wie Schwenningen ein landesweit im Free-TV übertragenes Spiel vor über 25.000 Zuschauern austragen wird, das dürfte in den nächsten 375 Jahren eher unwahrscheinlich sein. Und das Publikum, insbesondere natürlich das Blau-Weiß-Gekleidete, war sich dessen mehr als bewusst. So sah man allenthalben fröhliche Gesichter, selbst Menschen, die seit der Jahrtausendwende keinen Fuß mehr in ein Eisstadion gesetzt hatten, machten sich auf den beschwerlichen Weg in den Kraichgau. So war unter den Zuschauern überall ein Herzen und Umarmen zu sehen, als handele es sich nicht um ein reguläres Eishockeyspiel, sondern um ein Klassentreffen. Um das erste seiner Art seit Jahrzehnten. Und genau deshalb bleibt trotz des um zwei Tore zu hoch ausgefallenen Ergebnisses (und nein, liebe Mannheimer Fans, niemand zweifelt daran, dass ihr die bessere Mannschaft seid und niemand hat erwartet, dass die Wild Wings euch an die Wand spielen) ein rund um positives Fazit eines einmaligen Tages. Daran kann auch die -übriges klägliche- Aktion einiger Nachwuchspyromanen nichts ändern. Es war einfach #onceInALivetime.
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