Hat die DEL ein Schiedsrichter-Problem?

In der Deutschen Eishockey Liga hat sich in den letzten, sagen wir 15 Jahren, vieles gewandelt; es gibt überall moderne und komfortable Hallen, die Teams treten professioneller auf und es gibt Woche für Woche hochwertige Live-Bilder der Spiele im TV und im Netz. Auch das Schiedsrichterwesen hat sich verändert. Es gibt mittlerweile zwei Profi-Referees, es gibt bei jedem Spiel zwei Hauptschiedsrichter, es gibt einen Videobeweis und so weiter.

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Trotzdem tönt Spieltag für Spieltag ein Wehklagen durch den Blätterwald und durch die einschlägigen Foren. Das allein wäre nichts Besonderes. Schließlich gehört Schiedsrichter-Bashing seit jeher und in jeder Sportart dazu, wie die Stadionwurst und das Bier.

Was aber in letzter Zeit auffällt, ist das die Kritik in letzter Zeit weg vom „der hat uns benachteiligt – der ist doch gekauft“ hin zum „der hat das ganze Spiel verpfiffen“ geht. Sprich, dass beide Teams gleichermaßen unzufrieden mit der Leistung der Unparteiischen sind. Und das sollte schon zu denken geben.

Und ja – der Schiri ist die ärmste Sau im Dorf. Keine Frage. Jeder, der schon mal eine Pfeife in den Mund genommen hat, und sei es nur im Hobbybereich, der weiß wie schwierig das ist. Und Eishockey ist nun mal eine schnelle und dynamische Sportart, bei der die Grenze zwischen fairem Check und vorsätzlicher Körperverletzung sehr schmal ist. Jeder Pfiff ist eine Gradwanderung. Und das Spiel hat sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Wer heute Spiele aus den frühen 90er Jahren ansieht, der kommt sich vor wie bei einer anderen Sportart.

Um der Sache etwas näher zu kommen, müssen wir unterschiedliche Formen der Kritik unterscheiden: da ist zum einen die Kritik des Publikums am Referee. Diese möchte ich außen vor lassen. Denn diese Kritik hat es immer schon gegeben und wird es immer geben. Und man darf sie nicht allzu ernst nehmen. Sie resultiert zum einen aus gruppendynamischen Effekten und dem tollen Gefühl, endlich mal jemanden nach Herzenslust beschimpfen und beleidigen zu können ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen. Zum anderen schlicht und einfach aus mangelnder Regelkenntnis. Wer im Publikum kann schon Hybrid-Icing korrekt erklären geschweige denn in der Spielsituation bewerten? Außerdem ist sich jedes Heimpublikum der Macht bewusst, dass es über die Herren in Schwarzweiß ausübt. Wenn man nur lange genug tobt und buht, wird schon irgendwann eine zweifelhafte Strafe für das Gästeteam herausspringen. Soweit ja alles legitim.

Wer sich jedoch die Pressekonferenzen nach einem beliebigen DEL-Spiel anschaut, der kommt sich schnell vor wie Miss Sophie in Dinner for One: Same procedure as every time. In keinem Trainer-Statement fehlt der Satz „zum Schiedsrichter möchte ich nichts sagen, aber…“ – und wie schon angedeutet – sind sich meist beide Trainer einig. Woran liegt das?

Zum einen sind die Schiedsrichter natürlich nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern sie sind an die Buchstaben der Spielregeln gebunden. Und diese haben sich in den letzen Jahren eher verschlimmbessert. Als Beispiel sei hier nur die Bullyregel genannt, die regelmäßig für Frust in allen Arenen sorgt. Hier ist aber nicht das pfeifende Personal ursächlich für das Problem verantwortlich, sondern die vermurkste Regel. Wobei beim einen oder anderen Linesman schon ein Hang zur Pedanterie durchschimmert, wenn er die Schlägerpositionen am Liebsten mit der Schieblehre auf den Millimeter genau ausrichten würde.

Daneben gehören sicherlich Inkonsequenz und das immer wieder gern genommene Totschlagargument „mangelndes Fingerspitzengefühl“ zu den Haupt-Kritikpunkten. Im ersten Drittel hagelt es Strafen für jede Kleinigkeit, im zweiten Drittel wird gar nichts gepfiffen und in der letzten Spielminute bringt ein zweifelhafter Pfiff wegen unkorrekter Ausrüstung ein Team um den verdienten Lohn der Arbeit. Jeder Eishockeyfan kann dutzende solcher Geschichten erzählen. Nur ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Ein Torhüter X hält den Puck fest, Spieler A stochert nach und erhält dafür zwei Strafminuten. Im Gegenzug hält Torwart Y den Puck ebenfalls fest, Spieler B traktiert mehrfach dessen Fanghand, wobei der ca. fünf Meter entfernt stehende Schiedsrichter durch ausladende Armbewegungen den Spieler ermutigt weiterzumachen. Schließlich setzt Verteidiger C dem Treiben durch einen beherzten linken Haken ein Ende und wandert dafür auf die Strafbank. Stürmer B fährt währenddessen grinsend zum Wechseln. Die Zuschauer toben und senken den Daumen. Das Urteil steht fest.

Oder etwa nicht? Hat der Mann in Schwarz vielleicht doch richtig entschieden? Hat er etwas gesehen, was der geifernde Zuschauer auf dem Stehplatz nicht gesehen hat? Wir werden es nie erfahren. Denn so gut die Berichte von LaOla1.tv auch gemacht sind, das konsequente Totschweigen aller strittiger Situationen ist für die Außenwahrnehmung der Schiedsrichter Gift. Oftmals erkennt man ein Foul erst in der zweiten, dritten Wiederholung und muss dann respektvoll anerkennen: der Schiri hatte recht!
Doch diese Möglichkeit wird dem Zuschauer vorenthalten. Es ist schlichtweg Zensur, wenn strittige, möglicherweise spielentscheidende Szenen nicht gezeigt werden. Hier wird eine heile Welt vorgegaukelt wo es keine heile Welt gibt. Wieso eigentlich? Hält man den Zuschauer für so dumm, dass er das nicht merkt?

Aber meckern kann bekanntlich jeder. Doch wie sollte sich ein idealer Spielleiter darstellen? Meiner grenzenlos naiven Ansicht nach sollte – um mal einen Vergleich mit der freien Wirtschaft aufzustellen – ein Schiedsrichter so etwas wie der CEO, der Vorstandsvorsitzende, sein. Er sollte die Strategie, die ganzheitliche Ausrichtung, die Leitlinien, die „Kultur“ des Spiels bestimmen. Leider verhalten sich viele Schiris aber eher wie biedere Sachbearbeiter. Sie verlieren sich in Details, treffen pflichtversessen Einzelentscheidungen, die jede für sich vielleicht korrekt sind, sich aber nur zu einem äußerst schiefen Bild zusammensetzen, weil ihnen der Blick aufs große Ganze verloren gegangen ist. Kein Schiedsrichter der Welt kann jedes Haken, jedes Beinstellen oder jeden kurzen Schlag mit dem Stock auf die Hand des Gegners erkennen. Muss er auch nicht. Die Spieler können das meist besser einschätzen und regeln. Er sollte nur jedem Spieler klar machen, dass es eine rote Linie gibt. Bis hierher und nicht weiter. Und: diese Linie gilt für alle Spieler, von der ersten bis zur letzten Spielminute. Es gibt keine Los-Wochos zwischen der 22. und 28. Minute, in der Haken erlaubt ist, während ab Minute 29. sofort gepfiffen wird. DAS ist die wahre Kunst des Schiedsrichterwesens!

Und natürlich sollten auch die Schiedsrichter die Annehmlichkeiten des Profisports für sich in Anspruch nehmen dürfen. Während die Teams meist schon am Vortag komfortabel per Bus oder Flugzeug anreisen, müssen sich viele Schiedsrichter am Spieltag mit dem Privat-PKW durch den Feierabendverkehr zum Spielort quälen. Das kann’s auf Dauer einfach nicht sein.

Die Liga redet ja gerne von einem „Produkt“ oder einem „Gesamtpaket“ – und da gehören die Fachkräfte für angewandte Regelkunde einfach mit dazu.

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