Der ein oder andere hat’s vielleicht schon mitbekommen – die Schwenninger Wild Wings spielen in der kommenden Saison wieder in der Deutschen Eishockeyliga, der DEL.
Eigentlich wurde dazu schon alles gesagt und geschrieben. Außer natürlich meiner völlig subjektiven Sicht der Dinge 😉
Der Weg zurück dauerte länger als gedacht und er war anders, als dies gewöhnlich in der deutschen Sportlandschaft läuft. Geschlagene 10 Jahre mühten sich die Schwenninger in Liga Zwei ab, zwar nicht ohne Erfolg, schließlich wurde man dreimal Vize-Meister, jedoch wollte der sportliche Aufstieg, der in den ersten Jahren noch möglich war, nicht gelingen. Seit 2011 ist dieser Weg sowieso verbaut, da sich DEB und DEL seit Jahren einen ermüdenden Kleinkrieg liefern und ein sportlicher Auf- und Abstieg nun einfach nicht mehr möglich ist. Eine Tatsache, die dem sportinteressierten Durchschnittsbürger nicht zu vermitteln ist.
Nun also erfolgte die Rückkehr am “grünen” Tisch, genauer gesagt durch die Übernahme der Hannover Scorpions GmbH. Deren Gesellschafter waren nicht länger gewillt, die andauernden Verluste und miesen Zuschauerzahlen zu ertragen. Klingt alles komisch, und ja, es hat, wie man so schön sagt, ein ”Geschmäckle”, wenn der Vizemeister so aufsteigt. Aber so läuft es nunmal im deutschen Eishockey anno 2013. Punktausschluss. Man kann darüber denken wie man will, man kann angewidert den Kopf schütteln oder sich die Haare raufen. Fakt ist, dass den Wild Wings gar nichts besseres hätte passieren können.
Die Rückkehr in die DEL ist das Beste, was den Wild Wings hätte passieren können.
Mir ging es wie vielen anderen. Ich hatte mich an Liga Zwei sattgesehen. Unattraktive Gegner wie Weisswasser, Bad Tölz oder Bremerhaven, kombiniert mit fehlendem Sportlichem Aufstieg erzeugten über die Jahre Langeweile. Viele Zuschauer, die über Jahrzehnte jedes Spiel verfolgten, blieben nach und nach weg. “Wozu”, so fragten viele, “soll ich Woche für Woche 14,- Euro ausgeben, wenn am Ende doch nur die sprichwörtliche ‘goldene Ananas’ rausspringt?”. Auch für Sponsoren wurde das Umfeld nicht unbedingt attraktiver. Sinkende Zuschauerzahlen, eine völlige Nicht-Präsenz in den überregionalen Medien machten es zunehmend schwer, entsprechende Marketingbudgets in den Unternehmen loszueisen.
Es ist keine allzu gewagte Prognose: die nächste Saison in der zweiten Liga wäre hart geworden. Eine riesige Erwartungshaltung der Fans (‘dieses Jahr müssen wir unbedingt Meister werden’) hätte mit jeder Niederlage die Unruhe im Umfeld angefacht. Der Zuschauerschnitt wäre weiter gesunken. Ein sportliches Ziel hätte gefehlt.
Nun ist alles anders. Auf einmal kennt die Euphorie keine Grenzen. Auf einmal heißen die Gegner nun Mannheim, Köln und Berlin, statt Ravensburg, Crimmitschau und Riessersee. Auf einmal ist man wieder wer. Auf einmal werden wieder ehemalige Zuschauer zurückkommen, auf einmal werden neue Zuschauer kommen, einfach weil ein attraktiver Gegner wartet.
Die Erwartungshaltung
Damit sind wir schon beim Knackpunkt. Die Zuschauer werden umdenken müssen. Waren die Wild Wings in den letzten Jahren so etwas wie die “Ligakrösus”, so wird man sich nun gehörig umstellen müssen. Siegesserien, eine Platzierung in der Top-Regionen der Tabelle, ja überhaupt die Playoff-Qualifikation sind keine Selbstläufer mehr. Vielmehr schlüpft man mit der Rückkehr in die Beletage des deutschen Eishockeys auch wieder in die Rolle des Aussenseiters. Man wird sich mit schier übermächtigen Gegnern auseinandersetzen müssen, die gut das Doppelte des Schwenninger Etats zur Verfügung haben. Da werden sich deftige Niederlagen nicht immer vermeiden lassen.
Ich bin ehrlich gespannt auf die Reaktion der Zuschauer. Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern, dass es damals (vor 2003) in der DEL genauso war, als man 5, 6 Spiele hintereinander verlor. Aber viele jüngere Fans kennen diese Zeit nur vom Hörensagen und werden sich verwundert die Augen reiben. Und ich habe, trotz aller Euphorie, die momentan herrscht, die Befürchtung, dass 2, 3 Niederlangen zu Saisonbeginn schon zu Murren und Unzufriedenheit bei einem Teil der Zuschauer führen werden. DEL hin oder her.
Was sich ändern wird
Die DEL 2013 ist nicht mehr mit der DEL anno 2003 zu vergleichen. Fast überall wird in modernen Multifunktionsarenen gespielt. Management, Marketing und Auftreten der Liga sind deutlich professioneller geworden. Natürlich ist die Sportart Eishockey noch meilenweit von König Fußball entfernt, aber auch hier kann bzw. muss man vom “modernen Eishockey” sprechen. Es gibt komfortable VIP-Logen statt zugiger Stehplätze, die zahlungskräftiges Klientel anziehen. Der Eventcharakter tritt stärker in den Vordergrund. Es gibt Präsenz im Free-TV. Das “früher war alles besser”-Eishockey, von dem besonders die Älteren gerne wieder und wieder berichten, gibt es nicht mehr.
Der SERC und die Wild Wings waren immer ein Club, der auch von der besonderen Nähe zwischen Verein und Fans lebte. Das Solide, das Bodenständige, das Familiäre war in der Vergangenheit immer ein echter Standortvorteil. Nur mit einer soliden Fan- und Sponsorenbasis war und ist professionelles Eishockey in unserer Region überhaupt möglich.
Doch wie wird sich dieses “Wir ziehen alle an einem Strang”-Gefühl in Zukunft verhalten? Es muss und wird sich eine gewisse Professionalisierung und Kommerzialisierung einstellen. Die Preise werden steigen. Spiele gegen Berlin und Mannheim werden deutlich mehr Eventpublikum anlocken als bisher. Diese haben andere Wünsche an Catering und Komfort. Eventuell will man weg vom früheren “Gallischen Dorf”-Image, eventuell will man mit Traditionen brechen. Wie werden Fans auf diese Veränderungen reagieren?
Wie es funktionieren kann
Ob Gesellschafter, Trainer, Spieler, Lokalreporter, Gemeinderat oder Otto-Normal-Fan. Jedem, wirklich jedem sollte klar sein, dass das Unternehmen DEL eine riesige Herausforderung für die Wild Wings und die ganze Region Villingen-Schwenningen ist. Aber es ist auch eine einmalige Chance, die es zu nutzen gilt. Denn wenn es klappt, profitiert die ganze Region davon.
Die Grundlagen sind da: es existiert eine Halle, die den steigenden Anforderungen an Komfort und Bequemlichkeit gerecht wird, die aber auch echte Eishockeyatmosphäre, echtes “Bauchenberg-Feeling” bieten kann. Es gibt einen Hauptsponsor, der dem SERC seit fast 30(!) Jahren die Treue hält, ebenso wie unzählige andere Sponsoren, egal ob groß oder klein. Die Zuschauer sind heiß auf erstklassiges Eishockey. Viele ehemalige Fans werden zurückkehren. Viele Neue werden hinzukommen.
Alle Beteiligten werden ihre Kröte schlucken müssen. Erstligasport gibt es nicht zum Nulltarif. Deshalb werden die Preise steigen. Man muss mit dem professionellen Auftreten der anderen Clubs mithalten. Sollte dadurch die Familiarität leiden oder mit Traditionen gebrochen werden, so werden die alteingesessenen Fans dies akzeptieren müssen. Man wird mit den Wölfen heulen müssen. Schließlich ist man nun selbst ein Wolf.
Bleibt zu wünschen
Ich wünsche mir jedenfalls drei Dinge: Dass GmbH, Fans und Medien auch bei einer Niederlagenserie ruhig bleiben, dass der Draht zwischen Management, Team und Fans weiterhin so gut bleibt wie bisher und dass das ganze Unternehmen nicht an zwei, drei Fehleinkäufen (Stichwort “Söldner”) scheitert. Hier kann man Sportdirektor und Trainer nur ein glückliches Händchen wünschen.
Ich freue mich jedenfalls unbändig auf die kommende Saison und kann es kaum erwarten, bis September ist.