Pling-plingpling-pling

Kraftwerk, Die Roboter, 1978

Michael ist schuld. Michael, den alle nur “Maikel” riefen. Wiesoauchimmer. Ich war Erstklässler, er cooler Teenager. Leicht übergewichtig zwar und mit Monsterbrille auf der Nase, aber er besaß die größten Lautsprecherboxen die ich bis dato gesehen hatte. Nur das zählte. Außerdem war er mein Cousin. Schon damals.


In den sieben Jahren meines jungen Lebens hatte mich Musik nicht besonders interessiert. Wieso? Ich verstand sie schlicht und einfach nicht. Entweder waren die Texte in fremden Sprachen, oder ich verstand den Sinn nicht, auch wenn sie auf deutsch gesungen wurden. „Schenk mir eine Nacht“ was bitteschön sollte das bedeuten? Was soll ich mit einer Nacht? Ein Nachmittag wär doch viel besser. Da kann man wenigstens Fussballspielen. Das war alles Erwachsenenkram. Und der war langweilig.

Sei’s drum; wie fast jeden Sonntagmorgen besuchte mein Vater damals seine Schwester. Ich ging mit. Vielleicht konnte ich bei meinem Cousin das ein oder andere Comicheft abstauben. Er hatte alle und wenn er gut gelaunt war, schenkte er mir ab und zu eins. Yps oder Fix und Foxi, war mir egal. Immer noch besser als Petzibär.

Ich betrat also sein Zimmer, er lag auf seinem Bett und aus den riesigen Boxen drangen Klänge, wie ich sie noch nie gehört hatte. Es klang – wie soll ich sagen –kühl, künstlich, rein, richtig. Jedenfalls ganz anders, als das Zeugs, dass ich bis dahin gehört und verachtet hatte. Pling-plingpling-pling. Roboter. Pling-plingpling-pling. Ich schnappte Wortfetzen auf. Roboter, programmiert. Pling-plingpling-pling. Wow. Ich war im wahrsten Sinne elektrisiert. Noch halb in der Tür stehend fragte ich Michael was das denn sei. „Kraftwerk“, antwortete er gähnend und kratzte sich am Hintern. Kraftwerk. Was für ein Name. Sie sangen nicht von Liebe, Küssen oder geschenkten Nächten. Es ging um Technik. Um Maschinen. Das verstand ich. Das drang zu mir durch. Mein Kinderzimmer stand schließlich voll mit Fischertechnik, Playmobil und Lego. Michael überspielte mir das Lied auf eine Kassette und ich konnte es kaum erwarten bis wir wieder daheim war. Ich rannte in mein Kinderzimmer, riß die Kinderkassette (ich glaube, es war „Kimba, der weiße Löwe“) aus meinem Recorder und legte meinen neuen Schatz ein. Ich hörte das Lied einmal, zweimal, hundertmal, bis die Kassette von ständigen Spulen (es war ja nur ein Lied darauf) den Geist aufgab.

Egal, ich hatte vom süssen Nektar gekostet. Ich hatte die goldene Spur entdeckt. Einige Synapsen in meinem Kinderhirn hatten sich auf ewig fest verdrahtet. Reset unmöglich.

Danke, Cousin!

Stahlzeit, Haslach, 06.12.2013

Coverbands sind nicht jedermanns Sache und eine gewisse Skepsis ist in diesem Metier sicher nicht verkehrt. Eine Coverband? Und dann auch noch Rammstein? In einer kleinen Festhalle ganz hinten im Kinzigtal? Das klingt nicht nur skurril, das IST skurril. Aber was solls; bei schlappen 23,- Eintritt kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Also auf nach Haslach.

Rammstein sind ja bekannt für ihre -nennen wir es einmal- ausdrucksstarken Bühnenshows, für Theaterdonner und mächtig viel Feuerwerk. Ist das überhaupt “kopierbar”? Und: wie soll das denn überhaupt in einer kleinen Halle umsetzbar sein? Zumal Stahlzeit mal eben eine “Big Show” mit ordentlich Pyrotechnik versprachen.

Die ersten Minuten des Konzerts waren dann auch entsprechend bizarr. Auf der Bühne stand Rammstein. Aber eben nicht Rammstein. Es war ein bisschen wie bei einer Aufführung der Theater-AG des Till-Lindemann-Gymasiums. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Doch der Funke sprang gleich bei den ersten Takten von “Links234″ auf die rammelvolle Halle über. Stahlzeit haben sich in den letzten Jahren eine treue Fangemeinde erspielt – so waren die Jungs aus Bamberg nun auch schon zum vierten Mal in Haslach. Ebenso wie wohl ein Großteil des Publikums. Man wusste also hüben wie drüben was einen erwartet.

Es war jedenfalls ein rundum gelungener Nikolausabend. Der Sound stimmte. Die Stimmung war gut. Alle Hits waren da. Und die Pyroshow hielt, was sie versprach. Die alt-ehrwürdige Stadthalle ächzte jedenfalls förmlich unter der Wucht der brachialen Gitarrenriffs genauso wie unter den meterhohen Stichflammen, Flunkenregen und Explosionen. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr trat Rammstein-Stahlzeit-Vergleich in den Hintergrund. Die Illusion war nahezu perfekt. Vor allem Frontmann Heli Reißenweber war in Punkto Gestik, Mimik, Stimme und auch was seine Dominanz auf der Bühne betraf Till Lindemann fast ebenbürtig. Und so verwundert es nicht, dass die Ankündigung auch 2014 wiederzukommen vom Publikum begeistert gefeiert wurde.

Ein Wort noch zur Vorgruppe: Black Blitz aus München stürmten Punkt 20:00 Uhr auf die Bühne und legten los wie die Feuerwehr. Erdiger Rock mit einer leichten Bluesnote, dazu launige Ansprachen von Sänger Thomas Bauer (“Versteht’s ihr uns? -Mir kimm’ aus Bayern”, “Und jetzt unsere größten Hits – die ihr wahrscheinlich noch nie gehört habt”). Das alles hinterließ einen stimmigen und sympathischen Eindruck. Ich werd mir ihre CD auf jeden Fall zu Gemüte führen.

Aber die letztjährige Vorband Hetfield hat mir trotzdem besser gefallen. Nicht weil sie musikalisch besser waren, sondern weil die Kombination Metallica-Coverband vor Rammstein-Coverband die Skurrilität nochmals steigerte und thematisch passte wie die Faust aufs Auge.

Einzelkritik

Der November ist – ganz im Widerspruch zu den Außentemperaturen – ein eher heißer Monat. Jedenfalls im Eishockey. Und ganz besonders in Schwenningen. Trainerentlassungen haben in diesem ansonsten eher grauen Monat eine Jahrtausende alte Tradition. Und auch die Schonfrist für das spielende Personal scheint abgelaufen. „Einzelkritik“ weiterlesen