Setzen, sechs!

Heute kann ich endlich mal über meine beiden Lieblingsthemen bloggen: Zum einen über Eishockey, zum anderen über das Versagen traditioneller „Medienhäuser“ im Onlinebusiness.

Was war geschehen: die Schwenninger Wild Wings luden zur Pressekonferenz. Und alle kamen. Darunter auch eine Lokalzeitung vom schönen Bodensee. Der Aufsteiger vermeldete zwei Neuzugänge für die bevorstehende Premierensaison in der Deutschen Eishockey Liga*. Die anwesenden Journalisten machten sich eifrig Notizen und schon kurze Zeit später war der Artikel auf der Website des „Medienhauses“ online.

Ergebnis: 209 Wörter, 1 Rechtschreibfehler, eine falsche Bildunterschrift und eine falsche Jahreszahl. Respekt!

Das alles wäre nicht besonders tragisch, wenn, ja wenn, sich das Medienhaus nicht dem Qualitätsjournalismus verschrieben hätte und auch bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit daraufhinweist, wie wichtig doch die tägliche Lokalzeitung sei, dass nur sie allein das Informationsbedürfnis der Bürger mit aktuellen und hochwertigen Lokalnachrichten befriedigen kann – vor allem im Vergleich mit diesem Internet.

Was die Sache allerdings zu einer wahren Tragödie macht: erst vor wenigen Wochen versteckte das Medienhaus einen Großteil seiner Lokalartikel hinter einer Paywall. 99 Cent/Monat für Abonnenten der Tageszeitung, 9,90 (sic!) für alle anderen.

Jetzt frage ich mich ernsthaft: wofür? Für solche Artikel? Für schlecht umformulierte Pressemeldungen?

Es wird gejammert, es wird gezetert. Immer wieder muss das Internet als Sündenbock herhalten. Aber auf die Idee, bei sich selbst zu suchen, darauf kommt anscheinend niemand.

Was hätte man nicht alles machen können: schon Tage vor der besagten Pressekonferenz pfiffen die Spatzen die Neuigkeiten von den Dächern. Es war ein offenes Geheimnis. Ein gefundenes Fressen für jeden Sportjournalisten. Wieso hat man kein umfangreiches Portrait der beiden Neuzugänge recherchiert? Einen Hintergrundbericht über die slowenische Heimat des Neu-Schwenningers? Ein Videointerview? Ein Zusammenschnitt der schönsten Tore? All das hätte sich mit wenig Aufwand vorbereiten lassen und bereits wenige Minuten nach der offiziellen Bekanntgabe online veröffentlichen lassen. Verpackt in ein Themenspecial, dass die Rückkehr des Teams in die Belétage des deutschen Eishockeys begleitet. DAFÜR wäre ich auch bereit zu zahlen.

Es ist die Tragödie des Lokaljournalismus. Spannende Themen liegen praktisch vor der Haustür. Doch niemand macht sich die Mühe sie aufzulesen. Statt dessen wird seit Jahrzehnten in staubtrockenen Sätzen über die Hauptversammlung der Taubenzüchter geschrieben.

Ehrlich, so wird das nichts!

 

* Dieser Satz ist etwas kritisch: erstens gibt es zwischen zweiter und erster Eishockeyliga tatsächlich keine sportliche Aufstiegsmöglichkeit. Deshalb haben die Wild Wings die Lizenz der finanziell angeschlagenen Hannover Scorpions übernommen. Ausserdem ist es natürlich keine richtige Premierensaison; denn bereits von 1994-2003 spielten die Wild Wings in der deutschen Eishockeyliga.

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